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Die Verträge von Locarno waren ein wichtiges diplomatisches Ereignis nach dem Ersten Weltkrieg. Das zuvor weitestgehend isolierte Deutschland kehrte in die europäische Politik zurück und die internationalen Beziehungen begannen sich zu normalisieren.
Videodokumentation
Überblick
- Datum: 05. – 16. Okt. 1925
- Ort: Locarno, Schweiz
- Ereignis: Erfolgreiche Verhandlungen über die Gestaltung der außenpolitischen Situation in Europa
Wesentlich Beteiligte
- Gustav Stresemann (1878 – 1929)
- Aristide Briand (1862 – 1932)
- Austen Chamberlain (1863 – 1937)
Hintergrund
- Nach dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) & dem Vertrag von Versailles leidet das Deutsche Reich unter:
- Gebietsverlusten im Westen & Osten (siehe insb. Danzig polnischer Korridor & Sudetenland)
- Militärischen Beschränkungen & Kontrollen
- Hohen Reparationszahlungen
- Handelsbeschränkungen
- Diplomatischer Isolierung
- Die in der Novemberrevolution entstandene Weimarer Republik ist instabil & befindet sich in einer schwachen Situation
- Die Sieger des Ersten Weltkriegs, insb. Frankreich streben (zu Beginn) nach einer Schwächung Deutschlands, eigenem Machtzuwachs, territorialen Gewinnen & wirtschaftlichen Vorteilen
- Im Osten entsteht die international isolierte Sowjetunion, die im Westen als Bedrohung gesehen wird
Verlauf
Vorgeschichte
- 16. Apr. 1922: Das Deutsche Reich & Sowjetrussland vereinbaren im Vertrag von Rapallo diplomatische & wirtschaftliche Beziehungen
- Jan. 1923 – Aug. 1925: Französische & belgische Truppen besetzen das Ruhrgebiet & stoßen zu Beginn auf starken passiven & aktiven Widerstand
- Feb. 1925: Außenminister Stresemann schlägt dem Vereinigten Königreich & Frankreich eine gegenseitige Anerkennung der deutschen Westgrenze vor
- Ab Feb. 1925: Briefwechsel zwischen dem Deutschen Reich, Frankreich & dem Vereinigten Königreich
Ereignisse rund um die Locarno-Verträge
- 05. – 16. Okt. 1925: Verhandlungen in Locarno mit den Teilnehmern: Deutsches Reich, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Italien, Polen & Tschechoslowakei
- Wesentliche Motivationen zu den Locarno-Gesprächen:
- Frieden & Stabilität in Europa
- Normalisierung der Handelsbeziehungen
- Deutschland als starken Puffer gegen die SU (insb. UK)
- Überwinden der diplomatischen Isolation (Deutschland)
- Handlungsspielraum für schrittweise Revision des Versailler Vertrages, insb. im Osten (Deutschland)
- 10. Sep. 1926: Unterzeichnung der Locarno-Verträge in London
- 10. Sep. 1926: das Deutsche Reich wird Mitglied des Völkerbundes
Ergebnisse der Locarno-Verhandlungen
- Westen:
- Die im Versailler Vertrag festgelegten Westgrenzen Deutschlands werden von allen Seiten anerkannt & geachtet
- Das Vereinigte Königreich & Italien garantieren die Westgrenzen & stehen bei einer Verletzung dem Angegriffenen militärisch bei
- Deutschland einigt sich mit Frankreich & Belgien darauf, Konflikte friedlich zu lösen
- Osten:
- Für die deutschen Ostgrenzen wird keine abschließende Regelung getroffen
- Deutschland einigt sich mit Polen & der Tschechoslowakei, Konflikte friedlich zu lösen
- Frankreich schließt (erneuert) Beistandspakte mit Polen & der Tschechoslowakei
Folgen
- Der „Geist von Locarno“ führt zu einer Entspannung, Annäherung & Normalisierung der Beziehungen in Europa
- In Deutschland kommt es zu einer innenpolitischen Krise:
- Die Regierung tritt wie angekündigt zurück
- Die Konservativen lehnen den Vertrag auf Grund der Aufgabe von Elsass-Lothringen ab
- Die Linken befürchten eine westliche Allianz gegen die Sowjetunion
- Die Sowjetunion fühlt sich durch die westlichen Vereinbarungen bedroht
- Der deutsch-sowjetische Freundschafts- & Neutralitätsvertrag (Berliner Vertrag, 24. Apr. 1926) beendet die Spannung zwischen den Deutschen Reich & der Sowjetunion
- Bis 1930 ziehen sich die alliierten Truppen aus dem Rheinland zurück
- Die Rüstungs- & Militärkontrollen der Alliierten werden eingestellt
- Das Deutsche Reich geht außenpolitisch gestärkt aus den Locarno-Verträgen hervor